Fachblatt Musikmagazin 1987
Hinter diesem Japanischen Wort verbirgt sich etwas, was wohl jeder, der stolzer Besitzer einer IBANEZ, SQUIER oder ROLAND Synthesizer Gitarre ist, brennend interessieren wird. Es ist der Name des grössten Gitarrenherstellers in Japan und stückzahlenmässig auch der ganzen Welt. Benannt ist die Firma FUJI, SAITENINSTRUMENTE, im Branchenjargon kurz Fujigen, nach dem mit 3778m höchsten Berg Japans.
Doch vorweg: wie kam es zu diesem Bericht? Es ist nämlich kein altbewährtes Mitglied der FACHBLATT-Mannschaft, das diesen Artikel geschrieben hat, sondern ein Japanologe der nebenbei auch noch ein „guitar-maniac“ ist. Um die japanische Sprache in den Griff zu bekommen, erhielt ich einen Austauschstudienplatz an der Tübinger Partneruniversität in Hiroshima.
Nun haben die Sprachlehrbücher aller Sprachen und Länder eines gemeinsam: sie sind alle gleich langweilig. Als Ersatz dafür habe ich japanische Musikerzeitschriften und alles, was es an Literatur über dieses Thema gab, verschlungen.
Gelegentliche Schwätzchen mit den lokalen Musikhändlern sorgten für die nötigen Insiderinformationen. Damit mir nicht ganz entging, was sich inzwischen in der Musik- und Instrumentenszene in Deutschland abspielte, haben Freunde aus Deutschland mir Ausgaben des FACHBLATT - MUSIKMAGAZIN zugeschickt. Die boten wie gewohnt eine reichhaltige Fülle von Informationen an. Bei Messe- und Testberichten war aber ein gewisses Informationsdefizit nicht zu übersehen. Das würde wohl nicht der Fall sein, wenn die Schreiber sorgfältig den jeweiligen Firmenprospekt durchgelesen hätten - den japanischen. Genau da liegt nämlich der Hase im Pfeffer.
Sofern überhaupt ein Prospekt in einer westlichen Sprache erhältlich ist, bietet er nur ein Bruchteil der Informationen des japanischen Originals. In den Büros japanischer Firmen tut man sich oft recht schwer mit Fremdsprachen und arbeitet nach der Devise: Wer nicht viel übersetzt, kann auch nicht viele Fehler machen. Das musste ich natürliche den FACHBLATT - Leuten gleich mal nach Deutschland schreiben: „Ich weiss was, was ihr nicht wisst! Aber anstatt sich über solch partielle Unkenntnis verschämt in die hinterste Ecke des Redaktionszimmers zu verkriechen, schlugen sie mit einem Eilbrief und massiven Forderungen zurück. Bilder und Geschriebenes wollten sie sehen. Das hat man halt davon, wenn man den Mund zu voll nimmt.
Die geruhsame Studienzeit in Hiroshima hatte somit ihr Ende gefunden, denn ich musste doch jetzt etwas finden, um die Burschen in Köln zu beeindrucken. Ich beschloss deshalb, hinter die Kulissen der Musikindustrie vorzudringen und etwas über die eigentlichen Hersteller zu schreiben.
Wer und wo sie sind war für mich längst kein Geheimnis mehr. Das Problem bestand aber darin, mit ihnen in Kontakt zu treten. Man klopft in Japan nämlich nicht ans Werkstor und fragt: „TAG, DARF ICH MICH MAL EIN BISSCHEN BEI IHNEN UMSCHAUEN?“.
In Japan wird man vorgestellt und weitergereicht, bis man an der richtigen Stelle angelang ist. Ohne Beziehungen sind die Erfolgsaussichten minimal.
Ein Händler in Hiroshima schickt seine Mitarbeiter gelegentlich zu Schulungen der Firma Matsumoku, dem Hersteller von Aria, Westone und einem Teil des Fernandesprogramms. Auf meine Frage hin, ob sich ein Firmenbesuch über seine dortigen Verbindungen arrangieren lasse, meinte er, dass dies äusserst schwer zu realisieren sei: und überhaupt, ob ich schon den Prospekt von den beiden neuen Sampling-Keyboards von Roland habe. Ich wurde irgendwie das Gefühl nicht los, dass er das Thema wechseln wollte.
Bei einem anderen Händler wurde ich dann letztendlich fündig. Er setzte sich umgehend mit einem Bekannten bei der Vertriebsfirma des grössten Herstellers, Kanda Shokai, in Verbindung. Dort war man über dieses Anliegen zuerst völlig verunsichert. Die Tatsache aber, dass sie mit mir in Japanisch verkehren konnten, erleichterte vieles. Eine Zusage kam aber nicht direkt. Ich sandte deshalb einen brief mit Fotokopien aus der Maiausgabe des Fachblattes mit den Testberichten von zwei Fujigen – Produkten, Ibanez RG 450 SL und Roland GR77B/G77, ein. Ab dann lief alles Weitere reibungslos. Zwei kurze Anrufe genügten, und die Vertriebsfirma arrangierte zum gewünschten Tag einen Besuchstermin beim Werk. Damit stand mir erst einmal eine lange Reise zu der in den Bergen gelegenen Stadt Matsumoto bevor, die abseits der Shinkansen – Linie, dem japanischen Hochgeschwindigkeitszug, liegt. Die meisten in Japan gefertigten Gitarren kommen aus dieser Stadt. Sechs von elf noch existierenden Herstellern sind dort ansässig. Fuji – Elektrik und Epson haben sich ebenso in Matsumoto niedergelassen.
Bei der Einfahrt abends mit dem Zug leuchtete mir als Vorbote eine grosse Reklametafel entgegen: „Westone Guitars““. Eigentlich Verschwendung, denn in Japan werden sie überhaupt nicht angeboten. Ich begab mich auf die Suche eines Gasthauses, dessen Adresse ich vom Fremdenverkehrsverein in Nagoya bekommen hatte. Als ich es nicht fand, wandte ich mich an den Omawarisan, den „ehrenwerten Herrn Rundendreher“, wie der japanische Polizist heisst, der mit dem Fahrrad seine Runden um den ihm zugeteilten Aufsichtsbezirk dreht. Im Gasthaus war ich dann wohl auch der erste westliche Besucher.
Am nächsten Tag hatte ich am Morgen einen Termin bei Fujigen. Die Dame an der Rezeption war angenehm überrascht darüber, dass ich aus Deutschland bin, sie hat einen Brieffreund in Bremen, mit dem sie ihr englisch verbessert. Eine Kostprobe davon wollte sie mir aber nicht geben. Sie führt mich erstmal in ein karg ausgestattetes Zimmer. Aber schon bald tauchte ein Herr im Firmen – T–Shirt auf, der mich dann in das Zimmer des leider gerade abwesenden Firmendirektors führte.
Mein Gegenüber, Herr Takayuki Hirabayashi, der Leiter der Entwicklungsabteilung, entpuppte sich als äusserst kompetenter Gesprächspartner. Zum Beispiel ist das Blade – Shorter – Vibrato seine Entwicklung. Doch so ganz glücklich kann er damit nicht werden, weil diese für Fender geschaffene Teil ab Januar/Februar nächsten Jahres nur noch der Firmengeschichte angehören wird, Das es auch mit dieser Eigenentwicklung nicht gelungen ist, die patentrechtlichen Ansprüche von Floyd – Rose zu umgehen, wird es durch das Kahler – Fulcrum ersetzt. Herr Hirabayashi liess geduldig einen Schwall von Fragen über sich ergehen und führte mich dann am Vormittag über das Firmengelände. Nach dem Mittagessen trennten wir uns, und jemand anderes übernahm die Führung.
Es war Fumiaki Yokouchi, der zweite Sohn des Firmengründers und derzeitigen Präsidenten Yuichiro Yokouchi. Da der älteste seiner drei Söhne sich aus dem Gitarrengeschäft heraus hält und stattdessen ein Kaffeehaus betreibt, kommt gewissermassen Fumiaki die Rolle des Kronprinzen zu. Sein jüngerer Bruder ist derzeit in USA und macht eine Ausbildung als Gitarrentechniker. Auf meine Frage, wann sein kleiner Bruder nach Matsumoto zurückkehre, antwortete Yokouchi Junior: „Wenn er Englisch kann!“
Ich durchstreife also mit jeweils einem meiner Begleiter die Firmengebäude. Immer wieder wurde ich von den Angestellten freundlich begrüsst. Das ist fester Brauch bei Fujigen. Lackiererei und Holzzuschnitt sind vom Hauptgelände getrennt, so dass wir einen Firmenwagen nehmen mussten.
Neben dem Gebäude, wo die Korpusse aus Einzelstücken zusammengeleimt werden, liegt in einem flachen Gebäude Fuji / Roland. Das ist eine Gemeinschaftsfirma, die von Fujigen und Roland zur Entwicklung der Synthesizer – Gitarre gegründete wurde. Im ganzen Firmenbereich durfte ich mit Herzenslust den Auslöser bedienen, nur im Entwicklungslabor wurde mir das Fotografieren untersagt.
Herr Yokouchi lud mich ein, einmal die neue Midi – Gitarre von Ibanez anzuspielen. Er winkte einen Mitarbeiter, der gerade am grossen Tisch in der Mitte des Labors beschäftigt war, heran, um die Gitarre und alles, was dazugehört, einzustellen. Es war Toshio Yano persönlich, einer der drei Elektronik – Ingenieure im Entwicklungsteam und der Erfinder der Midi – Gitarre. Weiter sind im Team einige Designer wie auch Herr Hirabayashi beschäftigt. Allerdings werden in diesem Raum nicht alle Instrumente entworfen. Die Verkaufsfirmen der einzelnen Marken haben ihre eigenen Designabteilungen, die aber oft mit Hilfe des auf Computer ausgestatteten Fujigen – Entwicklerlabors zurückgreifen. Diese Trennung der Designabteilungen sorgt dafür, dass sämtliche Marken im Hause zwar unter einem Dach gefertigt werden und dementsprechend dieselbe Verarbeitungsqualität aufweisen, dennoch aber vom Technischen her vollkommen verschiedene Instrumente sind. Das ist eine Vorgehensweise, der sich auch andere japanische Hersteller bedienen. Im Hause Fujigen werden zur Zeit fünf verschiedene Marken produziert.
Ibanez
Das ist wohl inzwischen die bekannteste japanische Gitarre und häufiger Gast im FACHBLATT – Test. Reine Kopien sind schon lange nicht mehr im Programm. Dem japanischen Kunden ist diese Marke aber erst seit 1982 zugänglich. Bei einem Besuch Japans in jenem Jahr war ein Prospekt das Einzige, was ich von Ibanez in Tokyos Musikgeschäften entdecken konnte. Von 1970 bis 1982 hiessen die Fujigenprodukte für den Inlandsmarkt Greco und für den Export Ibanez.
Greco
Kopien von Gibson, Rickenbacker, Höfner Violinbass, der Brian May Gitarre und Jackson Strats mit mittlerer Mensur, womit sie sich einerseits vom Original unterscheiden, aber andererseits trotz des Auftauchens der in Japan gefertigten Charvel Gitarren (die zum Teil in preislicher Nähe liegen), ihre Daseinsberechtigung haben. Wie mir Herr Yokouchi versicherte, geschieht dies auch mit dem Segen von Grover Jackson, der noch die original Humbucker dazu liefert. Viel Angst um Konkurrenz braucht er auch nicht zu haben, da Greco nur in Japan vertrieben wird. Im Programm sind aber auch eigene Bass- und Gitarrenmodelle. Das Bombard – Modell ist zurzeit ein Renner auf dem Inlandsmarkt.
Fender Squier
Seit April 1982 gibt es Fender „Made in Japan“. Mit dem Markennamen Squier sorgte man dafür, das der noble Name Fender keinen Schaden nahm. Im Inlandshandel hiessen alle Inlandsprodukte aus dem Kooperationsvertrag, die optisch nicht nach US – Fender aussahen (sei es aufgrund einer anderen PU – Bestückung oder eines Vibratos nach dem Prinzip Floyd – Rose), l. Squier. Die Nachbauten amerikanischer Modelle der unteren Preisklasse, die nur mit in Japan gefertigten Teilen hergestellt wurden, wurden mit der Aufschrift Squier exportiert, aber im Inland unter dem Fender - Label verkauft.
Seit März 1985 gibt es aber eine gravierende Änderung. Fender aus Japan werden nicht mehr hinter dem Squier – Label versteckt, den bei den Contemporary Modellen ist nun an dem Kleingedruckten Zusatz unter dem Namenszug zu lesen, woher die Gitarren kommen. In Japan ist heute eine Squier eine Einsteiger Gitarre.
Der Preis ist zu niedrig, als dass Fender seinen Namen in voller Grösse darauf schreiben lasse würde.
Neben den auch in Deutschland angebotenen Modellen gibt es Stratocaster und Telecaster mit mittlerer Mensur und flachem Griffbrett. Ein Leckerbissen gibt es noch für die Blackmore – Fans: eine Startocaster mit „scalloped fretboard“. Die Zwischenräume zwischen den Bundstäbchen sind dabei zu Mulden ausgeschabt, um ein besseres Fingervibrato zu ermöglichen. Wer es aber mit dem Schweden Yngwie Malmsteen hält, der verwendet an Stelle eines Palisandergriffbrettes einen einteiligen Ahornhals. Hier muss man sich allerdings bis zum Frühjahr gedulden. Ich erkundigte mich bei Yokouchisan, ob diese beiden Ausführungen auch in Deutschland geben wird. Er sagte aber, dass bisher keine Bestellungen aus USA dafür vorliege, denn dort werde entschieden, was wo verkauft wird.
Roland
Das erste Gitarrensynthesizersystem wurde in Gemeinschaftsarbeit der beiden Synthesizer – Hersteller Roland und Fujigen geschaffen. 1977 wurde es erstmals in Tokyo vorgestellt und ist zur Zeit mit der GR 707 und dem Bass GR 77 sowie den zugehörigen Bodeneinheiten im Programm vertreten.
Yamaha
Hier handelt es sich eigentlich nicht um einen Spross des Hauses. Yamaha hat nämlich die Serienfertigung in Hamamatso eingestellt und die ganze Produktion nach Taiwan verlagert. Für den Verkauf in Japan werden die RGX-, Session II- und RBX – Modelle weiterhin hier gefertigt. Fujigen führt dabei aber nur Aufträge aus, ist also am Entwurf von Yamaha – Instrumenten nicht beteiligt.
Wie man sieht, unterscheiden sich die Angebotspaletten der hauseigenen Firmen von Grund auf. Auch bei den verwendeten Vibratoeinheiten geht man getrennte Wege. Während Fender (noch)
Ein Matsumoto entwickeltes Teil verwendet, benutzt Greco Kahler, und für Ibanez wird unter der Lizenz von Floyd – Rose wieder ein anderes Vibrato gebaut.
Was in der Fender – Werbung Guitarplayer eigentlich nie zum Ausdruck kommt, ist bei einem Rundgang durch die Fabrikhallen nicht zu übersehen. Die Gitarren der Masterserie (d‘ Aquisto, Flame, Espirit) kommen aus Matsumoto. Flame und Espirit sind reine Fujigen Gitarren. Die grobe Form, Doppel – Cutaway und die zwei Humbucker wurden von Fender in USA vorgegeben. Den Rest hat die Entwicklungsabteilung von Hirabayashi gemacht. Dabei stehen sie nicht einmal den eigenen Landsleuten zum Kauf zur Verfügung.
Allerdings sind die Zeiten, in denen im Instrumentenbau „Made in Japan“ noch als Schönheitsfehler galt, längst vorbei. Hier zeigt sich auch deutlich die Qualität der Beziehung Fujigen – Fender. Während Charvel und Kramer nach vorgegeben nach Mustern billigere Instrumente in Japan fertigen lassen, fällt Fujigen ein beträchtlicher Anteil bei den Entwicklungsarbeiten zu, und das, wie die Masterserie zeigt, nicht nur bei billigeren Waren.
Rein formal sind die Vertriebsfirmen Kunden des Werkes Matsumoto. Tatsächlich aber ist ihr Kapital innerhalb der einzelnen Aktiengesellschaften miteinander verbunden. So ist der Generaldirektor von Fender / Japan, Chitoshi Kojima, auch Präsident von Kanda (Greco) und Mitglied im Direktorium von Fujigen. Die Aktivitäten der Verkaufsfirmen gehen aber noch weiter: Kanda vertreibt die Hohner Steinberger – Kopien in Japan und Hoshino Ibanez Effekte und Verstärker. Letztere sind nur im Ausland erhältlich. Yokouchi-san war völlig überrascht, als ich ihm eröffnete, dass ich einen Ibanez Verstärker in meinem Zimmer in Deutschland stehen habe. Er meinte, er hätte nie gehört, dass es so etwas gäbe, und ausserdem hätten sie damit sowieso nichts zu tun.
Elektronisches wird im Werk nur soweit gefertigt, als es die Tonabnehmer betrifft. PU‘ s für die Vintage - Modelle kommen aus den USA und die Humbucker für die Contemporary Stratocaster Deluxe (System II Vibrato) als Sonderanfertigung von Schaller aus Deutschland.
Jeden Monat verlassen 15‘000 bis 16‘000 Gitarren das Werk. 12‘000 davon werden dort gefertigt, mit den Test werden andere Firmen beauftragt. So stammt zum Beispiel so mancher Hals und Pickguard einer japanischen Fender aus dem Hause Atlansia. Die Instrumente haben durch ihr aussergewöhnliches Design schon auf der Frankfurter Messe für Aufsehen gesorgt. Die Endkontrolle findet aber hier bei Fujigen statt. Man versicherte mir, dass nur die Instrumente und Teile die dem Standard der Werksprodukte entsprechen, diese Kontrolle passieren.
Bei der Führung vermisste ich die Produktionsstätte für Akustik – Gitarren. Nachdem man damit 1981 jeden Monat durchschnittlich 40‘000 DM Verlust machte, hatte man beschlossen, die Herstellung einzustellen. Eigentlich bedauerlich den deren Qualität erregte sowohl das Aufsehen der Musiker als auch von Martin, einem der führenden Hersteller von Folk – Gitarren. Das Fusionsangebot lehnte Yokouchi Senior dankend ab. Inzwischen ist der Betrieb mit 200 Beschäftigten dem oberen Mittelstand zuzuordnen. Dem gegenüber steht aber ein Umsatzvolumen von 53 Millionen DM jährlich. Davon werden 80% allein aus dem Export erzielt. Die Anfänge sahen dagegen bescheiden aus und liessen eine solche Entwicklung eigentlich nicht vermuten.
Wäre die Firmengeschichte Fujigens schon früher im Westen publik geworden, so hätte sie vielleicht den Begriff des „Kuhstall – makers“ geprägt. Nicht Vierrädriges wie bei „garage – maker“ Charvel und Apple – Computer musste dem Unternehmergeist weichen, sondern Hornvieh. Zum einem geschah dies aus Platzgründen, zum anderen, damit der Besitzer, Yuichiro Yuikouchi mit dem Verkaufserlös seinen Beitrag zu der mit seinem Freund Yutaka Mimura im May 1960 gegründeten Aktiengesellschaft Fujigengakki leisten konnte.
Mimura als Direktor und Yokouchi als Geschäftsführer widmeten sich mit einem Mitarbeiterstab von 10 Leuten erst einmal dem Bau von Violinen. Den Zeichen der Zeit Rechnung zu tragend wechselte man aber schon 2 Monate später zum Gitarrenbau über. Mit der ersten Lieferung hatte man aber nicht viel Glück: Sie kam per Lastwagen zurück. In dem Schreiben des Abnehmers in Tokyo hiess es: „Bei sämtlichen Gitarren ihrer werten Firma sind Do Re Mi Fa unterschiedlich. Sowas ist keine Gitarre.“ Die Positionen der Bundstäbchen stimmten leider überhaupt nicht. Wie konnte das passieren? Yokouchi, von Haus aus Landwirt, und seine Mitarbeiter hatten nie gelernt, Instrumente zu spielen. Mit dem festen Vorsatz es nie wieder zu einem solchen Desaster kommen zu lassen, verbrannte man alle 1000 Gitarren. Ein Universitätsprofessor wurde verpflichtet, der die ganze Mannschaft erst einmal über die Grundbegriffe der Musiktheorie, wie zum Beispiel Tonleitern, aufklärte. Im Dezember des Gründungsjahres war man soweit, verkaufsreife klassische Gitarren fertigen konnte. Schon im darauf folgenden Jahr zog man 200 Meter weiter in ein neues Fabrikgebäude und erreichte eine Tagesproduktion von 30 Stück. Zehn der leitenden Angestellten wechselten zu der in Tokyo neu gegründeten Teisco AG über.
Die erstmalige Bekanntschaft von Herrn Yokouchi mit einer amerikanischen E – Gitarre in einer Musikhandlung der Hauptstadt blieb nicht ohne Folgen. Im Oktober 1962 wurde die Produktion um diese Art von Instrumenten erweitert. Über Zwischenhändler gelangten Fujigen Produkte 1963 erstmals auf den US – Markt. Man wollte daraufhin versuchen, auch dort Fuss zu fassen. Als erstes machte Mimura eine Amerika Rundreise. Im darauffolgenden begab sich der Geschäftsführer mit acht Mustergitarren im Gebäck nach Los Angeles und New York. Dass dieser Aufenthalt dann sechs Monate dauerte, war nicht etwa mit der Kaufunwilligen amerikanischen Kundschaft zu erklären, sondern damit, dass Yokouchi erst einmal Englisch lernen musste. Seine Bemühungen in sprachlicher geschäftlicher Hinsicht waren dann auch vom Erfolg gekrönt: der Direktexport in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nahm seinen Anfang. Die Entwicklung in der Musikwelt, wie zum Beispiel die Popularität der Beatles, entfesselte weltweit einen E – Gitarrenboom. Mit einer Monatsproduktion von 3000 Stück rückte man in die Spitze der vier grössten Hersteller im Lande vor.
1965 wurden auch Schlagzeuge und in der im nächsten Jahr eröffneten Elektronikabteilung ein Fuzz gefertigt. Man platzte allmählich aus den Nähten. Konnte man früher die Fertigung der Korpusse der Firma Matsumoku überlassen, so musste das nun im eigenen Werk geschehen. Denn bei Matsumoku hatte man andere Pläne. Jene damals unbedeutende Zulieferfirmen hatte sich inzwischen mit ihrer Produkten Aria, Westone und einem Teil des Fernandes – Programms zu einem der grössten Hersteller Japans entwickelt.
Der Umzug auf das gegenwärtige Firmengelände 1966 schaffte Abhilfe. Die Gitarrenindustrie wurde 1968 im Land der aufgehenden Sonne von einer Krise erschüttert. Allein 80 Hersteller von E – Gitarren drängten auf den Markt. Die beiden grössten Firmen deren Produkte auch den Firmennamen trugen, erklärten den Bankrott. Das war das Ende der beiden japanischen E – Gitarrenmarken der sechziger Jahre, Teisco und Guyatone. Unter letzterem Namen sind heute nur noch Effektgeräte und Verstärker erhältlich.
1969 schrieb auch Fujigen rote Zahlen. Der Einstieg in den Bau von Westerngitarren brachte dann die Rettung. E – Gitarren hatten zu dem Zeitpunkt an Popularität verloren. Gegenüber vieler der Konkurrenten hatte Fujigen einen Vorsprung. Mit der Fertigung akustischer Instrumente hatte man bereits ausreichend Erfahrung. Yutaka Mimura schied auf eigenen Wunsch aus der Firma aus, und Yokouchi übernahm die Firmenleitung.
Bisher stellte man sogenannte „buyers brand“ oder Käufermarken her. Das heisst, dass die Gitarren den Namen auf der Kopfplatte trugen, den der Käufer dafür orderte. 1970 sollte jedoch damit Schluss sein, und alle Produkte eindeutig als Erzeugnis ihres Herstellers erkennbar sein. Man wählte zwei spanische Namen: Greco für den Inlandsverkauf und Ibanez für den Verkauf an Übersee. Die Instrumente waren natürlich Kopien von Gibson, Fender und Martin. Ein erstmals 1972 eingerichtetes order–made–System sowie ein 1973 gegründetes Entwicklungsteam zeigten schon relativ früh die Ansätze dazu auf, dass man sich davon lösen wollte. Zusätzlich nahm man noch flache Mandolinen und Banjos ins Programm auf. Der Marktanteil in Japan erreichte heute 65%. Das Ansehen der Firma verbesserte sich deutlich durch die Aufträge zweier berühmter Gitarristen. George Benson Paul Stanley liessen sich ihre Gitarren 1977 nach ihren Vorstellungen bei Ibanez bauen. Später folgten andere Künstler. Im selben Jahr machte ein anderes Ereignis, ein Gemeinschaftsprojekt mit Roland, Aufsehen: Der GR - Gitarrensynthesizer. Dadurch, dass nur der Name Roland darauf steht, ist nur den Kennern der Branche bekannt, dass sich auch der Hersteller Ibanez dahinter verbirgt.
1980 gelang mit der recht preiswerten Blazer – Serie der Durchbruch auf dem internationalen Markt. Zumindest bei der Marke Ibanez hatte man sich von der Kopiererei verabschiedet. Aber ander Marken wie Fernandes und Tokai sprangen in die Bresche. Die Tonabnehmer fertigte man seit 1981 selber.
Fender entwickelte zu diesem Zeitpunkt Ambitionen, sich in Japan niederzulassen. Der stellvertretende Direktor von Fender weilte gerade in Tokyo und folgte einer Einladung von Fujigen, einmal den Betrieb zu besichtigen. Was die Gastgeber noch nicht wussten, war, dass insgeheim schon die Entscheidung über die Herstellung von Fender Gitarren bei Tokai in Hamamatsu gefallen war. Der Betrieb und die modernen Fertigungsmethoden in Matsumoto hatten eine nachhaltige Wirkung auf den Besucher aus den USA. Von den Leitern von Kanda und Fujigen begleitet, revidierte er noch im Auto auf der Rückfahrt nach Tokyo die Entscheidung und unterbreitete den Mitfahrern ein Angebot. Im April 1982 kam es dann schliesslich zum Vertragsabschluss.
Man begann mit erst vier verschiedenen Modellreihen, die je nach Preislage mir mehr oder weniger vielen Teilen aus der US – Fertigung ausgestattet waren. Hauptziel war ein 70 %iger Anteil am japanischen Markt. Der Rest, Gitarren der niedrigsten Preisstufe ohne Teile aus der USA, war für das Ausland bestimmt und trug statt des Fenderemblems die Aufschrift Squier.
Der Verkauf innerhalb der USA war anfangs gar nicht vorgesehen. Die 4000 Fender, die gleich zu Anfang monatlich auf den Markt strömten, hatten eine einschneidende Wirkung in der Branche. Was auch immer die Firma Fender zum Japanvorhaben bewogen haben mag, es erwies sich als kräftiger Schlag gegen den Nachbau der eigenen Marke. Die damaligen Könige im Kopieren, Fernandes und Tokai, mussten ihr Angebot an Strats, Teles usw. deutlich verkleinern. Der Bankrott von Tokai zwei Jahre später hatte wohl auch darin seine Ursache.
Inzwischen hatte diese Firma – jetzt im kleineren Rahmen – ihre Wiederauferstehung gefeiert. Ausschlaggebend war das Kaufverhalten der Kundschaft. Besonders in Japan entschied man sich meist für das Fujigenprodukt, wenn es um den Fendersound ging. Greco, immer noch mit Kopien im Angebot, musste natürlich alle Nachbauten des neues Partner aus dem Sortiment nehmen. Die bisher nur im Ausland verkauften Ibanez sollten nun die Lücken mit Original – Gitarren schliessen.
Aus der Anfangs zugedachten Rolle des Niedrigpreis – Fender Produzenten ist Fujigen längst herausgeschlüpft. Der Made in Japan - Zusatz im Emblem verspricht keineswegs eine Gitarre, die den Geldbeutel schont. Auch die Hausmarke Ibanez ist längst keine billige Alternative zu Made in USA - Produkten mehr. Es ist wohl doch als besondere Leistung zu bezeichnen, das Fujigen es einerseits zu der Firma mit der höchsten Stückzahl pro Monat innerhalb der Branche gebracht hat, dies aber andererseits nicht durch Billigwaren, sondern überwiegend mit Instrumenten der mittleren bis gehobenen Preisklasse erreicht hat.
Fast einen ganzen Tag hat der Besuch bei Fujigengakki in Anspruch genommen. Zum Abschied streckte mir Fumiaki Yokouchi die Hand entgegen, eine Geste, die ich mir im Verkehr mit Japanern mühsam abgewöhnt hatte. Nach dem Händedruck folgte aber die inzwischen gewohnte Verbeugung.
Am nächsten Tag erwartete mich schon eine andere Verabredung in Matsumoto, diesmal beim kleinsten der elf Gitarren–Hersteller in Japan. Dass mich dies fast die gleiche Zeit in Anspruch nehmen würde, ahnte ich damals noch nicht, aber darüber mehr in einer der nächsten Ausgaben des Fachblattes.
Rainer Daeschler